Und hier wohnen wir



Goethe und Friederike - Sessenheim

Die kleine etwa 1500 Einwohner zählende Ortschaft Sessenheim befindet sich ungefähr 40 Kilometer nordöstlich von Straßburg. Von Baden-Baden etwa eine halbe Autostunde entfernt. Dieser kleine Ort wäre wohl ewig unscheinbar geblieben, hätte ihn nicht Goethe durch seine Liebe zu Friederike Brion zum Pilgerort seiner zahlreichen Verehrer gemacht.

Mit seinem Studienfreund Friedrich Leopold Weyland ritt Goethe Anfang Oktober 1770 zum erstenmal nach Sessenheim. Weyland wollte ihn dort in die Pfarrfamilie Brion einführen. Die beiden ritten damals über die heutige D 468 in die völlig paradiesische Gegend. Von der einstigen Idylle ist heute jedoch sehr wenig übrig geblieben. Die Straße ist nur noch von einigen Pappeln gesäumt und die Einzigartigkeit der Natur wird von der einer Ölraffinerie übertroffen.

Wenn Sie in Sessenheim ankommen bietet es sich an, zuerst einmal das Pfarrhaus zu besichtigen, das von der Kirche aus gesehen auf der linken Seite der Rue Frédérique Brion liegt. Es ist jedoch nicht mehr so erhalten, wie es Goethe und Weyland im Jahre 1770 vorfanden.

In dem Pfarrhaus von einst, begann die eineinhalb Jahre andauernde Liebe zwischen dem 21jährigen Goethe und der 19jährigen Pfarrerstochter Friederike Brion. Goethe schrieb später von der ersten Begegnung mit ihr: "In diesem Augenblick trat sie wirklich in die Türe; und da ging fürwahr an diesem ländlichen Himmel ein allerliebster Stern auf."
Ihr Aussehen schilderte er so: "Schlank und leicht, als wenn sie nichts an sich zu tragen hätte, schritt sie, und beinahe schien für die gewaltigen blonden Zöpfe des niedlichen Köpfchens der Hals zu zart. Aus heiteren blauen Augen blickte sie sehr deutlich umher, und das artige Stumpfnäschen forschte so frei in die Luft, als wenn es in der Welt keine Sorge geben könnte; der Strohhut hing am Arm, und so hatte ich das Vergnügen, sie beim ersten Blick auf einmal in ihrer ganzen Anmut und Lieblichkeit zu sehn und zu erkennen."

Heute werden im Pfarrhaus einige Erinnerungsstücke an Friederike und ihren Vater aufbewahrt. Von den ursprünglichen kirchlichen Gebäuden blieb lediglich die Goethe-Scheune erhalten, die 1958 restauriert wurde.
Auf einer Bank vor der Scheune befindet sich ein Auszug aus den autobiographischen Aufzeichnungen Goethes, in dem man etwas über seine Ausflüge mit Friederike zu den Rheininseln erfährt.
Es gibt noch eine Goethe-Gedenkstätte zu besichtigen. Dieses wie ein kleiner antiker Tempel wirkende Gebäude wurde früher als Wachhäuschen genutzt. Seit 1961 beherbergt es in zwei Räumen Schriftstücke und Bilder.

Eine weitere unübersehbare Sehenswürdigkeit ist die Kirche in der Rue de l'Eglise. Sie ist zwar noch aus der Goethezeit erhalten, wurde aber inzwischen etwas umgebaut. An der südlichen Außenwand der Kirche sind die Grabplatten der beiden Eltern Friederike Brions eingemauert. Interessant im Innern der Kirche ist das alte grüngetünchte Pfarrgestühl, das man links vorne im Chor findet. Hier sollen Goethe und Friederike beim Sonntagsgottesdienst gesessen haben. Auch die Kanzel stammt wahrscheinlich noch aus jener Zeit.

Verlässt man die Kirche wieder, so erblickt man gegenüber das Gasthaus "Au Boeuf". Hier kann man nicht nur eine Mahlzeit einnehmen, sondern auch ein kleines Goethe-Privatmuseum besichtigen, in dem einige Andenken an ihn und Friederike ausgestellt sind.

Wenn man nach Verlassen des Gasthauses wieder auf den Rathausplatz zurückgeht und dort rechts in die Rue Goethe einbiegt, kann man Goethe und Friederike auf ihren abendlichen Spaziergängen folgen. Die beiden schlenderten diese Straße in Richtung Stattmatten entlang, um auf den Sesenheimer später so genannten Goethe-Hügel zu gelangen. Er befindet sich nach Überqueren der Bahnlinie rechter Hand und trägt heute den Namen "Friederikenruh".

Goethe und Friederike verweilten hier öfters einen Augenblick. Obwohl heutzutage keine hübsche Aussicht in die Gegend mehr zu gewinnen ist, pilgern Goetheliebhaber aus aller Herren Länder zu diesem Hügel.

Das leidenschaftliche Verhältnis zu Friederike sollte jedoch nicht lange anhalten. Bereits im Frühjahr 1771 ist bei Goethe die Rede von einem baldigen Ende dieser Beziehung, zu dem es dann zwei Tage nach der Lizentiatenprüfung am 6. August 1771 auch kam.

Zwei Stunden dauerte der Ritt von Strassburg nach Sessenheim - welch eine Liebe! Welcher junge Mann von heute wuerde das machen??

 

Aus dieser Zeit stammt auch die folgende Anekdote, die mir kuerzlich ein aelterer Herr schmunzelnd erzaehlt hat:

 

Goethe war waehrend seiner Strassburger Zeit natuerlich auch mit seinen Studentenfreunden oefters in Kneipen (damas hat man das wohl anders genannt). Er trank den Wein aber immer gemischt mit Wasser. Deswegen haben ihn die anderen Studenten immer gehaenselt, und zwar so lange, bis er folgendes zu ihnen gesagt haben soll:

 

“Wasser allein macht stumm -
das beweisen im Teiche die Fische.

Wein allein macht dumm -
das bezeugen die Herren am Tische.

Weil ich keins von beiden will sein,
trinke ich Wasser vermischt mit Wein”